Kriegstrauma bei Senioren - Symptome & Behandlung

Wenn eine nahestehende, geliebte Person plötzlich zum Pflegefall wird, ist das für die Angehörigen ein Kraftakt. Neben den organisatorischen und finanziellen Hürden können oft auch psychische Belastungen hinzukommen, die zuvor gar nicht bedacht wurden. Unsere Eltern und Großeltern sind in einer Zeit groß geworden, die zum großen Teil durch Krieg, Angst und Gewalt bestimmt war. Viele Menschen haben ihr Schicksal scheinbar verarbeitet und jahrelang mehr oder weniger gut damit gelebt. Erst im Alter, wenn der Beruf keinen Stellenwert mehr einnimmt und die körperliche Kraft nachlässt, können sich Symptome einer sogenannten Retraumatisierung zeigen. Als pflegender Angehöriger stellt das eine enorme Belastung dar. Es ist gut zu wissen, wie sich hervorkommende Traumata bemerkbar machen und wie man behutsam und mit viel Einfühlungsvermögen damit umgehen kann.

Warum kommen Traumata aus Kriegszeiten erst im Alter an die Oberfläche?

Aktuellen Schätzungen zufolge sind bis zu fünf Millionen Menschen von traumatischen Erfahrungen während des Zweiten Weltkrieges betroffen. Bei den heute etwa 70 bis 85-Jährigen standen Bombenangriffe, Hunger, Verfolgung und Vertreibung oft an der Tagesordnung. An eine normale Kindheit war nicht zu denken. Direkt nach dem Krieg wurden die Erlebnisse größtenteils unter „den Teppich gekehrt“, da das Leben weitergehen musste und niemand Zeit und Verständnis für Tränen aufbrachte. Schließlich tragen im Alter neben familiären und beruflichen Verlusten ebenfalls neurobiologische Ursachen dazu bei, dass verdrängte Erinnerungen und lange verloren geglaubte Gefühle wieder ins Gedächtnis gerufen werden.

Was sind Auslöser und wie zeigen sich Kriegstraumata im Alter?

Unter Retraumatisierung wird das plötzliche Wiedererkennen des Traumas bezeichnet. Betroffen sind hauptsächlich Gebürtige zwischen den Jahren 1930 und 1945. Die Folgen der Reaktivierung eines Traumas reichen von Persönlichkeitsveränderungen bis hin zu:

  • Depression
  • Psychosomatische Störungen
  • Anpassungsstörungen
  • Angsterkrankungen (Phobien, Panikattacken)
  • Identitätsstörungen
  • Ich-syntonie Verhaltensweisen (sparsam, funktionierend, altruistisch)
  • Partielle oder vollständige posttraumatische Belastungsstörung

Neben den normalen Alterungs- und Verlustprozessen können ebenso andere Faktoren Auslöser für die Trauma-Reaktivierung sein. Schwere, unerwartete Krankheiten, eine Bombenentschärfung in der Stadt oder Nachrichten, die über Krieg und Zerstörung berichten sind mögliche Auslösefaktoren.

Psychische und körperliche Symptome

Die Symptome, die auf Kriegstraumata deuten, können vielfältig sein und lassen sich nicht immer klar abgrenzen. Oft sind es auf den ersten Blick willkürliche, unerwartete oder auch sich wiederholende Handlungen oder Verhaltensweisen, die für Unwissende keinen Sinn ergeben und falsch eingeordnet werden:

  • Frauen empfinden Berührungen als extrem belastend oder gar unzumutbar
  • Nahrungsmittel werden massenweise gehortet
  • Dunkelheit wird nur schwer ertragen
  • ein fertig gepackter Koffer steht immer griffbereit
  • Angst vor Flugzeuglärm, Silvester und anderem Lärm

Weiterhin können körperliche Beschwerden auftreten, die sich nicht durch eine klare Diagnose abklären lassen. Werden folgende physische Symptome bei einem Angehörigen häufiger beobachtet, ist es ratsam, den Hausarzt über diese akuten Symptome und mögliche traumatische Erfahrungen zu informieren:

  • Schwindel
  • plötzliches Herzrasen
  • Hitze- und Kältewallungen

Wie kann ich als pflegender Angehöriger bestmöglich mit dieser Situation umgehen?

Da kein Pflegefall dem anderen gleicht, gibt es nicht die eine Lösung. Je nach Schwere der körperlichen und geistigen Kräfte kann das Ausmaß der Symptome unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich ist es für Pflegende wichtig, viel Verständnis aufzubringen und eine gewisse Sensibilität dem Verhalten der zu pflegenden Angehörigen gegenüber zu entwickeln. Menschen reagieren ganz verschieden auf das Aufkommen der Traumata. Einige reden über ihre Erfahrungen, teilen sich mit und sind dankbar für ein offenes Ohr, andere verschließen sich lieber und haben Bedenken, die längst vergangenen Geschehnisse der jüngeren Generation mitzuteilen.

Beispiel

„Frau M. pflegt Ihre Mutter seit zwei Monaten im eigenen Haus. Neben zunächst nur körperlichen Schwierigkeiten treten vermehrt Situationen auf, die Frau M. nicht einordnen kann. Unruhe, plötzliches Herzrasen und ein Gefühl der Kälte, von dem Ihre Mutter immer wieder berichtet, machen Frau M. große Sorgen.“

In solchen Situationen wird klar, dass die Zeit nicht alle Wunden heilt. Es ist ratsam, jetzt ganz behutsam vorzugehen. Biografische Kenntnisse über das Leben der Person sind unumgänglich, denn wer das individuelle Schicksal kennt, kann zumindest einen Versuch starten, das Verhalten in einen Kontext einzuordnen. Wenn der Patient mit der Situation überfordert ist und Sie den Eindruck haben, dass Sie sich komplett hilflos fühlen, kann eine psychotherapeutische Anlaufstelle aufgesucht werden.

Holen Sie sich Hilfe, sobald Sie das Gefühl haben, an Ihre Grenzen zu stoßen! Diese Hilfestellung kann in unterschiedlicher Form geschehen, sowohl in finanzieller, als auch unterstützender Hinsicht:

  • Beratungsstelle aufsuchen (Pflegestützpunkte finden Sie unter https://bdb.zqp.de/#/home)
  • finanzielle Hilfen bei der Krankenkasse, der Pflegekasse oder beim Sozialamt beantragen
  • Pflegezeit beim Arbeitgeber beantragen (maximal sechs Monate)
  • Familienpflegezeit baut darauf auf (Reduzierung der Arbeitszeit für maximal zwei Jahre)
  • Nutzung kostenloser Pflegeschulungen für Angehörige
  • zur Unterstützung kann ein bis mehrmals täglich eine Pflegefachkraft entlasten
  • Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege in Anspruch nehmen
  • zum Erfahrungsaustausch Selbsthilfegruppen für Angehörige aufsuchen

Seit Anfang 2016 haben pflegende Angehörige Anspruch auf eine persönliche Fallberatung sowie eine Pflegeberatung durch die Pflegekasse. Die bundesweite Datenbank mit Pflegestützpunkten und deren Adressen ist im Internet unter https://bdb.zqp.de/#/home aufrufbar. Auch örtliche Beratungsstellen können gute Unterstützungsangebote aufzeigen und bei Problemen weiterhelfen. Rechtsfragen zur Pflegekasse können telefonisch unter dem Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit unter 030/3406066-02 beantwortet werden.

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